L-Carnitin als Fatburner?

In fast jedem Fitness Studio, das auch Nahrungsergänzungsmittel anbietet, findet sich auch das als ultimativer Fatburner angepriesene L-Carnitin in der Auslage. Selbst bei ALDI werden inzwischen entsprechende Präparate angeboten und wo immer sich Menschen zum Thema Abnehmen austauschen, taucht über kurz oder lang der Hinweis auf L-Carnitin auf.

Daher halte ich es für relativ wahrscheinlich, dass auch einige von Ihnen in Erwägung ziehen, das Kurzzeitfasten mit entsprechenden Produkten zu unterstützen. Bevor Sie diese Überlegung aber in die Tat umsetzen, sollten Sie sich mit zwei wesentlichen Fragen beschäftigen:

  1. Wirkt L-Carnitin überhaupt als Fatburner?
  2. Was sind mögliche Nebenwirkungen?

Mein Anlass diesen Beitrag zu verfassen ist eine gerade letzten Monat erschienene Untersuchung, die sich mit der zweiten Frage beschäftigt hat. Aber dazu kommen wir gleich. Denn bevor ich versuche diese beiden Fragen für Sie zu beantworten, ist es zunächst einmal hilfreich zu verstehen, welche Rolle L-Carnitin eigentlich bei der Fettverbrennung spielt und wie wir unseren Bedarf an dieser Substanz normalerweise decken.

Auch wenn L-Carnitin in allen Körperzellen vorkommt, wird es vor allem in unseren Muskeln benötigt, da diese die größte Nachfrage nach Körperfett verursachen. In ihren Mitochondrien (quasi den Kraftwerken der Zelle) ‚verbrennen‘ Muskelzellen unter anderem langkettige Fettsäuren, um daraus Energie zu gewinnen. Genau an diesem Prozess ist das L-Carnitin beteiligt, denn es ermöglicht den Transport der Fettsäuren in die Mitochondrien. Daher ist die Überlegung „mehr L-Carnitin gleich mehr Fettverbrennung“ zunächst einmal gar nicht so abwegig.
Unsere Versorgung mit L-Carnitin erfolgt auf zwei Arten. Zum einen durch die direkte Aufnahme aus der Nahrung. Hohe Konzentrationen finden sich vor allem in roten Fleischsorten. Pflanzliche Nahrungsmittel enthalten leider fast kein L-Carnitin. Jedoch kann der Körper auch selbst L-Carnitin herstellen. Dabei nutzt er zwei Aminosäuren, die wiederum als Baustein von Proteinen über die Nahrung aufgenommen werden. Ob diese Selbstversorgung zur vollständigen Versorgung des Körpers mit L-Carnitin ausreicht, oder eher als eine Ergänzung funktioniert, ist umstritten. Daher lässt sich nicht ausschließen, dass es bei Vegetariern, die auch auf Eier und Milchprodukte verzichten, tatsächlich zu einem entsprechenden Mangel kommen kann. Bei Menschen mit ’normaler‘ Ernährung halte ich das nur bei Vorliegen bestimmter Erkrankungen für denkbar.

 

Wirkt L-Carnitin als Fatburner?

Auch bei bei der Frage nach der Wirksamkeit gehen die Meinungen immens auseinander. So bezeichnet beispielsweise der Stern L-Carnitin als sinnlose Geldverschwendung. Eine Aussage, die sich tatsächlich anhand verschiedener Studien stützen lässt. Diese haben nämlich festgestellt, dass eine zusätzliche Aufnahme von L-Carnitin zwar dessen Spiegel im Blut, nicht aber dessen Konzentration in den Muskelzellen erhöht. Außerdem wirft der Artikel eine andere durchaus berechtigte Frage auf: Ist L-Carnitin wirklich der limitierende Faktor bei der Fettverbrennung? Denn bevor die langkettigen Fettsäuren überhaupt in die Muskelzellen gelangen, müssen noch verschiedene andere Voraussetzungen erfüllt und bio-chemische Prozesse abgelaufen sein. Wäre L-Carnitin tatsächlich der Engpass im Fettstoffwechsel, müssten sich die Fettsäuren quasi in den Muskelzellen stauen. Tatsächlich habe ich trotz ausgiebiger Recherche nur Ausnahmefälle finden können, in denen aufgrund von seltenen Erkrankungen mehr Fettsäuren in den Muskelzellen vorhanden waren, als über den L-Carnitin-Transport hätten verarbeitet werden können. Der Engpass liegt also mit ziemlicher Sicherheit woanders.
Darüber hinaus kommen diverse Studien zu dem Ergebnis, dass L-Carnitin weder Auswirkungen auf den Gewichtsverlust der Studienteilnehmer hatte, noch deren Fettstoffwechsel beschleunigte.

Es gibt aber auch gegenteilige Untersuchungen, die zu dem Ergebnis kommen, dass eine Gabe von L-Carnitin tatsächlich den Fettstoffwechsel anregen und das Abnehmen erleichtern kann. So wurde beispielsweise in einigen Untersuchungen ein höherer Gewichtsverlust im Rahmen von Diäten beobachtet. In anderen wurden chemisch markierte Fettsäuren verabrecht, deren schnellere Umwandlung anschließend durch eine Analyse der Atemluft nachgewiesen werden konnte. Allerdings werden diesen Studien sehr häufig methodische Fehler unterstellt. Da es sich allerdings bei allen fünf in der Grafik dargestellten Studien um Dissertationen handelt, die von erfahrenen Professoren bewertet wurden, würde ich zumindest eine vorsätzliche Manipulation der Ergebnisse mit dem Ziel einer bestimmten Lobby zu dienen weitgehend ausschließen.

Selbst technisch sehr ausgefeilte Studien, bei denen markierte CO2-Moleküle aus Fettsäuren in der Atemluft gemessen wurden, kommen zu widersprüchlichen Ergebnissen.

Selbst technisch sehr ausgefeilte Studien, bei denen markierte CO2-Moleküle aus Fettsäuren in der Atemluft gemessen wurden, kommen zu widersprüchlichen Ergebnissen.

 

Was sind gesundheitliche Nebenwirkungen von L-Carnitin

Hier kommen wir zum eigentlichen Anstoß für diesen Artikel. Eine erst letzten Monat veröffentlichte Studie kommt nämlich zu der eindringlichen Warnung, dass eine erhöhte Aufnahme von L-Carnitin, sei es über Fleisch oder Nahrungsergänzungsmittel, das Risiko einer Arteriosklerose (Arterienverkalkung) deutlich erhöhen würde. Grund seien bestimmte Bakterien im Darm, die das L-Carnitin umwandeln. Die dabei entstehenden Stoffe sorgen wiederum für einen erhöhten Spiegel des ’schlechten‘ LDL-Cholesterins. Die Autoren weisen explizit darauf hin, dass anders als häufig angenommen, nicht das Fett in rotem Fleisch für Herzerkrankungen verantwortlich sei, sondern das darin enthaltene L-Carnitin.

Interessanterweise hing das beobachtete Ausmaß dieses Effekts stark von der allgemeinen Ernährung und der daraus resultierenden Darmflora der Studienteilnehmer ab. Während regelmäßige Fleischesser sehr viele Bakterien in sich tragen, die für eine schädliche Umwandlung des L-Carnitins sorgen, ist dies bei Vegetariern nicht der Fall. Entsprechend fielen die schädlichen Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System bei diesen Versuchspersonen auch bei zusätzlicher Einnahme von L-Carnitin deutlich geringer aus. Allerdings würde ich vermuten, dass bei regelmäßigem Verzehr entsprechender Präparate auch bei diesen Menschen langfristig eine negative Anpassung der Darmflora eintritt.

Es wird Sie an dieser Stelle wohl nicht mehr verwundern, dass es auch diverse Studien gibt, die einer erhöhten Einnahme von L-Carnitin durchaus positive gesundheitliche Aspekte bescheinigen – selbst in Bezug auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen!

 

Fazit

Was machen wir nun aus diesen wiedersprüchlichen Erkenntnissen?

Zunächst einmal zeigt sich beim L-Carnitin sehr schön, was ich auch in meinem Buch immer wieder betone und was in der Ernährungswissenschaft generell sehr häufig gilt: Es ist nicht alles schwarz oder weiß!
Die Frage, ob eine zusätzliche Einnahme von L-Carnitin sinnvoll ist oder nicht, hängt stark von Ihrer individuellen Situation ab. Konsumieren Sie regelmäßig Fleisch, Eier und Milchprodukte? Dann würde ich in jedem Fall von einer zusätzlichen Aufnahme abraten. In dem Fall sind Sie nämlich ohnehin bestens versorgt und es wäre wenig sinnvoll, für eine durchaus zweifelhafte Diät-Wirkung das Risiko gesundheitlicher Nebenwirkungen einzugehen. Der ohnehin relativ geringe zusätzliche Effekt beim Abnehmen, den einige Studien feststellen konnten, lässt sich durch eine Stunde Sport pro Woche wesentlich gesünder erzielen.
Sind Sie hingegen Vegetarier, haben (trotzdem) Übergewicht, fühlen sich häufig schlapp und wenig Leistungsfähig, dann besteht zumindest die Chance, dass ein Mangel an L-Carnitin die Ursache ist. In dem Fall können Sie entsprechende Supplemente einfach für einige Wochen ausprobieren und testen, ob deren Einnahme eine Verbesserung bewirkt.Dabei reichen schon relativ niedrig dosierte Präparate mit 250 mg L-Carnitin. Die natürliche Ausscheidung über die Nieren liegt bei gesunden Menschen bei gerade einmal 20 mg. Das heißt, dass Sie selbst bei einer Aufnahme von nur 50 % des Wirkstoffs aus dem Präparat, diesen natürlichen Verlust um den Faktor 10 ausgleichen. Übrigens wird L-Carnitin entgegen häufiger anderslautender Aussagen nicht ‚verbraucht‘, wenn Sie sich sportlich betätigen oder mehr Fett verbrennen.
Wer ganz auf Nummer sicher gehen möchte, könnte auch zunächst einen Arzt aufsuchen. Ein erster Schritt wäre es, den L-Carnitin Gehalt im Blut zu bestimmen. Ist dieser verringert, kann mit einer Muskel-Gewebeprobe zusätzliche Gewissheit erzielt werden.

In jedem Fall sind die Personen, für die eine Nahrungsergänzung mit L-Carnitin sinnvoll sein kann, die absolute Minderheit. Sparen Sie sich also lieber Ihr Geld oder investieren Sie es in ein gesundes Kochbuch oder eine private Trainerstunde im Fitness Studio. Das wird Sie in aller Regel deutlich erfolgreicher zu einem schlankeren und gesünderen Körper bringen.

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