Der Mythos, dass Ausdauersport das Mittel der Wahl sei, um unerwünschtes Fett von den Hüften zu bekommen, ist eben das: ein Mythos. Wenn es darum geht, mit Hilfe von Sport abzunehmen, gibt es nichts besseres als intensives Krafttraining. Zum einen, weil es einem häufig mit dem Gewichtsverlust einhergehenden Muskelabbau entgegenwirkt. Zum anderen wird den Fettpolstern mit Kraftsport gleich dreifach eingeheizt:
- Durch den Energieverbrauch während des Trainings
- Durch den sogenannten ‚Nachbrenneffekt‘, der im Anschluss an intensive sportliche Betätigung auftritt
- Weil zusätzliche Muskeln rund um die Uhr Energie verbrauchen – egal ob bei der Arbeit, beim Sport oder im Schlaf
Hinzu kommt, dass ein trainierter Körper auch im Alltag leistungsfähiger ist und obendrein noch verdammt gut aussieht. Wer also noch etwas mehr für seine Figur tun möchte, findet im Krafttraining die ideale Möglichkeit dazu.
Seit Jahren tausche ich mich mit Familie, Freunden und Bekannten zu diesem Thema aus und habe auch schon etliche Personen aus meinem Umfeld selbst trainiert. Dabei fällt mir immer wieder auf, dass erstaunlich viele Menschen vollkommen falsch, bzw. ineffizient trainieren. Viele waren entsprechend zu dem Schluss gekommen, dass dieses Training bei ihnen einfach nicht viel bringe, vielleicht weil sie die falschen Gene hätten. Umso überraschender war es für genau diese Personen, wenn sie bereits nach vier Wochen ‚geleitetem‘ Training absolut beeindruckende Verbesserungen ihrer Figur und enorme Kraftzuwächse verzeichnen konnten. Dabei haben sie mit mir meist nicht einmal halb soviel Zeit im Fitness-Studio verbracht, wie sie es zuvor alleine getan hatten.
Fast alle Frauen, die ich trainiert oder zu ihrem Training beraten habe, hatten zunächst erheblich Vorbehalte, ob meine Methode für sie die Richtige sei. Schließlich stand sie in einem teilweise wirklich extremen Gegensatz zu dem, wie diese zuvor trainiert hatten. Bevor ich Ihnen in diesem Beitrag also die drei wichtigsten Grundregeln für ein erfolgreiches Krafttraining verrate, möchte ich zuvor noch einen Punkt ganz, ganz deutlich machen: Diese Art des Trainings ist definitiv nicht nur für Männer geeignet! Die biologischen Prozesse, die in der Muskulatur bei Männern und Frauen ablaufen, sind absolut identisch. Der einzige Unterschied und der Grund, warum Frauen keine dicken Muskeln aufbauen, liegt in der hormonellen Ausgangssituation. Ich könnte Ihnen an dieser Stelle etliche Erklärungen und Studien dazu liefern, warum das folgende Trainingsprinzip auch für Frauen genau das Richtige ist. Allerdings würde das bei weitem den Rahmen dieses Artikels sprengen. Stattdessen lade ich meine (eventuell skeptischen) Leserinnen ein, mir in diesem Punkt einfach zu vertrauen und es selbst auszuprobieren. Sie werden durch dieses Training schlanker, stärker und leistungsfähiger werden und zwar garantiert ohne, dass Sie danach aussehen wie der Hulk. Versprochen! 😉
Noch ein Hinweis bezüglich der Zielsetzung dieses Beitrags: Natürlich gibt es noch dutzende Tricks und Feinheiten über die hier beschriebenen Prinzipien hinaus. Je nach genauem Ziel und Trainingsstand, gibt es selbstverständlich auch noch idealere Trainingsmethoden. Diese Anleitung richtet sich aber vor allem an Menschen, die noch nicht über eine bereits jahrelang gestählte Muskulatur verfügen und hat das Ziel, eine optimale Mischung aus Kraftzuwachs, Figurverbesserung und natürlich Verletzungssicherheit zu gewährleisten. Wenn Sie Kraftsport bisher gar nicht oder nur im Sinne eines ‚Freizeitsportlers‘ betrieben habe, dann sind Sie hier genau richtig.
So, damit aber wirklich genug der einleitenden Worte. Kommen wir dazu, wie Sie Ihre Erfolge beim Krafttraining ganz leicht vervielfachen können.
Die richtigen Reize setzen
Das Ziel des Krafttrainings ist es, einen intensiven Reiz zu setzen, der die Muskulatur dazu anregt, sich im Anschluss über ihr Ausgangsniveau hinaus zu regenerieren. Diese Anpassungsreaktion wird auch als Superkompensation bezeichnet. Um diesen Prozess in Gang zu setzen, muss der Reiz, wie schon geschrieben, eine gewisse Intensität erreichen. Nicht mehr, aber vor allem nicht weniger. Dabei kommt es vor allem darauf an, den Muskel möglichst lange unter hoher Spannung zu halten und dabei vollständig zu erschöpfen. Aus diesem Grund bieten sich langsame Wiederholungen besonders an, da diese die ‚Zeit unter Spannung‘ maximieren, während das Verletzungsrisiko auch bei hohen Gewichten minimiert wird. Jede Wiederholung sollte mindestens 10 Sekunden dauern: 5 Sekunden Gewicht heben, 5 Sekunden Gewicht senken. Wer möchte, kann am Punkt der höchsten Muskelanspannung noch 1-3 Sekunden halten.
Das Gewicht sollte so gewählt werden, dass etwa 6 bis 10 dieser langsamen Wiederholungen möglich sind. Schaffen Sie mehr als acht, erhöhen Sie das Gewicht beim nächsten Training um 10 %. Schaffen Sie weniger als sechs, reduzieren Sie es entsprechend oder machen Sie längere Pausen zwischen den Workouts (siehe unten).
Absolut essentiell ist bei dieser Methode, dass Sie immer so lange trainieren, bis der Muskel vollständig versagt. Wenn Sie am Ende also genau 8 Wiederholungen gezählt hätten, hätten Sie definitiv etwas falsch gemacht. Der Satz endet nie mit einer vollständigen Wiederholung, sondern erst, wenn Sie diese nicht mehr schaffen. An diesem Punkt, wo es einfach nicht mehr weiter geht, halten Sie das Gewicht noch so lange Sie können und lassen es dann, wenn es gar nicht mehr geht, ganz langsam ab. Dieses vollständige Muskelversagen, das Sie durch ein solches Vorgehen erzielen, setzt genau den richtigen Reiz, damit Ihre Muskeln stärker – und bei den Männern auch deutlich größer – werden.
Haben Sie diesen Punkt erreicht, bringt es Ihnen übrigens gar nichts, noch einen weiteren Satz durchzuführen. Sie haben alles Nötige getan und jeder weitere Reiz bringt keinen zusätzlichen Nutzen, sondern kostet nur Zeit und verzögert die Regeneration.
Die Bestimmung Ihrer Startgewichte erfolgt am einfachsten und sichersten über Ihr 5-Wiederholungs-Maximum. Das ist jenes Gewicht, mit dem Sie gerade noch fünf Wiederholungen schaffen. Es gibt auch die Möglichkeit mit dem 1- oder 2-Wiederholungs-Maximum zu arbeiten, aber dabei steigt das Verletzungsrisiko unverhältnismäßig an. Gehen Sie also besser wie folgt vor:
Sie wählen ein Gewicht, das Sie sich gut zutrauen und führen fünf zügige Wiederholungen durch. Ein guter Richtwert ist eine Sekunde anheben, zwei Sekunden ablassen.
Geschafft? Dann erhöhen Sie das Gewicht um 10 %, warten eine Minute und versuchen es erneut. Dies wiederholen Sie so lange, bis Sie keine sauberen fünf Wiederholungen mehr schaffen. Nun nehmen Sie das Gewicht vom Versuch davor (mit dem Sie also fünf Wiederholungen geschafft haben) und nehmen davon 70 %. Gegebenenfalls runden Sie vom errechneten Wert nun noch zum nächstgelegenen wählbaren Gewicht an Gerät oder Freihantel auf oder ab. Herzlichen Glückwunsch, Sie haben Ihr Startgewicht, mit dem Sie nun – nach einer kurzen Pause – den ersten langsamen Satz bis zum vollständigen Muskelversagen, wie oben beschrieben, durchführen können.
Große Muskelgruppen trainieren
Gerade Trainingsanfänger vergeuden oft wahnsinnig viel Zeit darauf, kleine Muskelgruppen, wie zum Beispiel Bizeps, Trizeps oder Bauch isoliert zu trainieren. Im Gegenzug kommen komplexe Übungen, wie Kniebeugen, Kreuzheben oder Überkopfdrücken, bei denen viele Muskeln beteiligt sind, oft zu kurz.
Das ist gleich aus mehreren Gründen ein großer Fehler. Zum einen, weil die Definition von kleinen Muskeln bei einer insgesamt kaum trainierten Person, die eventuell obendrein noch einen hohen Körperfettanteil aufweist, optisch so gut wie gar nichts bringt. Ein dicker, aber vollkommen undefinierter Oberarm ist ebenso sinnlos, wie ein Sixpack, das unter einer dicken Fettschicht verborgen ist. Auch im Alltag ist der pralle Bizeps ohne einen entsprechend starken Rücken keine besonders sinnvolle Unterstützung.
Hinzu kommt, dass komplexe Übungen gegenüber isoliertem Training einen weiteren großen Vorteil haben: In der gleichen Zeit wird sehr viel mehr Arbeit geleistet und der Körper entsprechend stärker gefordert. Dies führt zu einer massiven Ausschüttung von Hormonen, die das Muskelwachstum und die Fettverbrennung anregen. Zwei Effekte, die wir ja unbedingt erreichen wollen!
Damit Sie selbst besser einschätzen können, welche Übungen unter dem Gesichtspunkt der ‚geleisteten Arbeit‘ besonders sinnvoll sind, nehmen wir eine simple Formel aus der Physik zu Hilfe:
Arbeit = Kraft x Weg
Das Ganze ist also ziemlich einfach. Je mehr Gewicht, sie über eine große Strecke bewegen, desto mehr Muskelmasse wird beansprucht, desto mehr Energie verbrauchen Sie, desto mehr Hormone schütten Sie aus, desto… Sie sehen, worauf ich hinaus will.
Ein kleines Beispiel:
Als Option 1 machen Sie 8 Bizeps-Curls mit 10 kg. Dabei bewegen Sie das Gewicht über eine Strecke von 50 cm.
Als Option 2 machen Sie 8 Kniebeugen mit 60 kg. Dabei bewegen Sie das Gewicht über eine Strecke von 65 cm.
Daraus ergibt sich für Option 1: 10 (kg) x 50 (cm) x 8 (Wiederholungen) = 4.000 ‚Arbeitseinheiten‘
Und für Option 2: 60 (kg) x 65 (cm) x 8 (Wiederholungen) = 31.200 ‚Arbeitseinheiten‘
Die Kniebeugen haben also bei gleichem Zeitaufwand einen etwa achtmal größeren Trainingseffekt, als die Bizeps-Curls! Denken Sie also an diese Formel, wenn Sie in Zukunft Ihre Übungen auswählen.
Dabei empfehle ich übrigens, gerade für den Anfang, nicht mehr als 8 unterschiedliche Übungen in ein Training zu packen. Ein wirklich effektives Ganzkörper-Training lässt sich sogar bereits mit der Hälfte erzielen.
Wenn Sie mit diesem Prinzip nach ein paar Monaten soweit sind, dass Sie einen insgesamt deutlich definierten und einigermaßen Fettarmen Körper haben, können Sie – sofern das dann überhaupt noch nötig erscheint – auch gezielt kleinere Muskelgruppen trainieren. Vorher macht solches Isolationstraining allerdings definitiv keinen Sinn!
In den Pausen liegt die Kraft
Oder besser gesagt: der Trainingserfolg. Denn mindestens ebenso wichtig, wie das richtige Workout, bei dem Sie die Muskeln mit komplexen Übungen, wenigen, dafür sehr langsamen Wiederholungen und entsprechend hohen Gewichten bis zum vollständigen Versagen bringen, ist die anschließende Pause. Kraft- und Muskelzuwächse werden nämlich nicht während des Trainings, sondern in der Zeit danach erzielt. Grundsätzlich ließe sich auch schon während dieser Phasen ein neuer Reiz setzen und der Muskel würde trotzdem noch gut regenerieren, bzw. den nächsten Wachstumsimpuls annehmen. Allerdings macht das nur bei Trainingskonzepten Sinn, die nicht bis zum Muskelversagen, bzw. mit maximaler Intensität arbeiten. Ein gutes Beispiel hierfür ist das sogenannte ‚Hypertrophy Specific Training‘ (HST). Dagegen stellt das hier vorgestellte Konzept, also ein Training bis zum Muskelversagen, andere Anforderungen an Ihre Muskulatur, aber auch an ihr zentrales Nervensystem (ZNS).
Um auch im nächsten Training die erforderliche, hohe Intensität zu erreichen, ist eine ausreichend lange Regeneration unerlässlich. Andernfalls bleiben Sie nicht nur kurzfristig unter Ihren Möglichkeiten, sonsern riskieren auch langfristige Leistungseinbrüche durch sogenanntes Übertraining. Dieses ist übrigens oft gar nicht muskulärer Natur, sondern meist die Folge einer dauerhaften Überlastung des ZNS. Das sollten Sie unbedingt vermeiden. Geben Sie Ihrem Körper also unbedingt die nötige Entspannung, um das meiste aus den hart erarbeiteten Trainingsreizen zu machen und auch beim nächsten Workout wieder volle Leistung bringen zu können.
Häufig wird pauschal gesagt, dass ein Tag Pause zwischen zwei Trainingseinheiten ausreichend ist und Sie die Muskulatur anschließend wieder belasten können. Das mag für bestimmte Muskelgruppen, bzw. je nach Trainingsprinzip auch richtig sein. Verallgemeinern lässt sich diese Aussage aber nicht und gerade in Hinblick auf die hier empfohlene Art des Trainings, sind definitiv längere Erholungsphasen anzuraten. Die hier beschriebene Art des Workouts wirkt bei korrekter Ausführung nämlich deutlich intensiver, als das, was die meisten Menschen im Fitness-Studio betreiben. Die Tatsache, dass Sie nie nach ganzen Wiederholungen aufhören, sondern den Muskel immer bis zum vollständigen Versagen belasten, macht einen immensen Unterschied. Entsprechend länger braucht ihr Körper für die Regeneration. Meine Empfehlung wäre, dass Sie in etwa 4 bis 6 Regenerationstage einplanen, bevor Sie einen bestimmten Muskel wieder trainieren. Ein schöner Nebeneffekt ist, dass Sie nur noch einen Bruchteil der Zeit im Studio verbringen während Sie gleichzeitig wesentlich bessere Effekte erzielen, als bisher.
Wer weiterhin gerne etwas häufiger zum Sport gehen möchte, kann dies natürlich tun. Ganz einfach, indem das Training gesplittet wird. Beispielsweise an einem Tag alle drückenden Übungen und an einem anderen Tag alle Ziehenden. Oder an einem Tag die Vorderseite und am anderen die Rückseite. Oder Sie trennen Ober- und Unterkörper oder… Sie haben die freie Auswahl. Das hat sogar den Vorteil, dass Sie die zuvor beschriebene Hormonausschüttung gleich doppelt so oft auslösen können.
Ausblick: Ideale Übungen und deren korrekte Durchführung
Da dieser Beitrag schon jetzt ganz schön lang ist und ich heute noch einiges zu tun habe, werde ich die konkreten Beispiele für Übungen und deren korrekte Durchführung auf meinen nächsten Artikel verschieben.
Wer gar nicht warten kann und direkt durchstarten möchte: Einige Tipps, wie Sie besonders effektive Übungen identifizieren, habe ich Ihnen ja bereits gegeben. Ein wenig Recherche im Internet sollte Ihnen diesbezüglich einiges an hilfreichen Informationen und auch brauchbare Anleitungen liefern. Ansonsten können Sie die Zeit auch dazu nutzen, sich einen konkreten Plan für die nächsten vier bis sechs Wochen zu erstellen, in dem Sie festlegen, an welchen Tagen Sie zum Sport gehen werden. Damit erhöhen Sie die Chancen, dass Sie tatsächlich lange genug konsequent dabei bleiben, um sichtbare Ergebnisse zu erzielen, deutlich!
Übrigens: Wenn Sie nicht gerne alleine trainieren, teilen Sie diesen Artikel doch mit Freunden und nehmen diese mit zum Sport. Dann können Sie sich auch gegenseitig anfeuern. Schließlich hat die mentale Komponente einen massiven Einfluss darauf, wann tatsächlich gar nichts mehr geht. Allerdings sei schon mal angemerkt, dass Ihre Fähigkeit zur entspannten Konversation im Laufe das Trainings deutlich abnehmen dürfte… 😉
Foto Hantel: Usodesita via photopin cc
Foto Frau auf Hantelbank: Keith Allison via photopin cc
Foto weiblicher Rücken: lululemon athletica via photopin cc
Foto Bankdrücken: MilitaryHealth via photopin cc
Foto Entspannung: Dirigentens via photopin cc